Klagefall
Dienstag, 7. April 2015
Ostermontag

In der Stadt spricht mich ein Mann an und fragt nach einem Laden, in dem er eine SIM-Karte kaufen könne. Er komme aus Milano, Italy, Tourist und wolle einen Freund besuchen und habe nur dessen Nummer. Ich versuche zu erklären, dass heute kein einziger Laden offen hat, a christian holiday. Ich gebe ihm mein Telefon, es antwortet nur eine Mailbox. Ob ich dann wüsste, wo es Wifi gebe, sein Freund habe WhatsApp. Mir fällt ein, dass es im Sofa jetzt Freifunk gibt. Ein türkisches Restaurant, Türkiye, er nickt, kommst du aus der Türkei, er nickt wieder. Wir gehen hin. Der Mann ruft H. nochmal an, maybe he is still sleeping, beim zweiten Mal geht der Freund endlich ran, der Mann spricht Arabisch mit ihm und fragt nach seiner Adresse und schreibt etwas auf, damit könne er zu einem Taxifahrer gehen. Er zeigt mir den Zettel: vitospring, ich habe den Namen noch nie gehört. Ob H. deutsch sprechen könne, er lacht, nein, natürlich nicht. Ich rufe selbst bei H. an und verstehe den Straßennamen auch nicht. Er schickt seinen Standort mit Google Maps, Vitus-Bering-Straße. Ich biete dem Mann an, ihn dort hinzufahren, er ist erleichtert. Auf dem Weg erzählt er, dass er aus Syrien komme, a doctor for children, Baschar al-Assad habe ihr Viertel bombardiert. Er spricht dieses kehlige A und dieses rollende R und zeigt mit seinen Händen, wie die Bomben einschlagen. Seine Frau sei mit Baba und den Kindern in Jordanien, er selbst sei in Istanbul gewesen, dort sei es schwer für Syrer. Hoffentlich könne er Baba und seine Frau und seine Kinder bald nach Deutschland holen, niemand verdiene diesen Krieg. Ich denke an Dublin II und an die vielen irakischen Geschichten, die ich gehört habe, ich kann das nicht ausstellen und weiß nicht, was ich ihm glauben soll. Als ob das wichtig wäre. H. steht in der Tür und wartet schon auf uns. Sie umarmen sich dreimal, wir schütteln uns die Hände. Ich solle doch bitte zum Tee bleiben, aber ich bedanke mich nur und fahre zurück in die Stadt, ohne nach seinem Namen gefragt zu haben.

Man muss sich ein Weblog als ein Notizbuch vorstellen, das nicht verlorengehen kann und das niemand findet. Seit 5497 Tagen glücklich auf Antville.
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