Klagefall
Eine Begegnung mit Wolfgang Sabath

Diese Geschichte begann im vorletzten Herbst und sie dauerte nicht mal ein Jahr. Eigentlich hatte sie schon ein paar Monate vorher begonnen. Der Buchladen stellte das »Blättchen« an die Kasse, ich kaufte es ein paar Mal und schickte dann aus einer Laune heraus einen kleinen Text hin. Wolfgang Sabath strich die Überschrift zusammen und nahm ihn ins Heft, ohne groß abzuwarten, ob mir noch ein Pseudonym einfallen würde. Als ich den nächsten Text schicken wollte, stellten sie gerade die Zeitschrift ein und da war die Geschichte fast schon wieder vorbei.

Aber jetzt gab es ja das Internet. Ich fragte vorsichtig nach. Ob man das »Blättchen« nicht vorübergehend ins Netz emigrieren könnte? Ein Gedanke, den Wolfgang Sabath natürlich längst selbst gehabt hatte. Ob ich nicht mit der Technik helfen könnte? So ging es hin und her und eines Nachmittags kam Wolfgang Sabath zusammen mit Gerd Kaiser nach Greifswald gefahren. Ein kleiner Mann mit Rauschebart und Mütze, mit fröhlichen, blitzenden Augen, selbstironisch, bescheiden, klug, belesen und mit diesem Berliner Humor. Wir redeten im Café Koeppen zwei, drei Stunden über ein digitales »Blättchen« und wie das wohl aussehen müsste. Wolfgang Sabath erzählte von seinem Journalistenleben, »alles ohne Partei«, von einer Reportagereise nach Greifswald für die Studentenzeitung »Forum«, die dann »wegen Papiermangels« zugemacht wurde, vom »Sonntag«, die Geschichte, als sie 1990 die Klos putzen, weil die Leute von der »ZEIT« gucken kommen wollten und dann wurde doch der »Freitag« daraus. Und er erzählte natürlich vom »Blättchen«, von der Last der Weltbühnen-Tradition (und der Schönheit des Diminutivs), von der Ökonomie, der Auflage, den Autoren, den Lesern und dem Gedicht auf der zweiten Seite, »damit sich die Leute wundern«. Ich schenkte ihm den letzten »Wiecker Boten«, den wir gerade gemacht hatten, einen Gedichtband und er sagte »wie schön«, als er über das Papier strich (er schrieb der Autorin später und wählte drei Gedichte für das »Blättchen« aus). Wir gingen noch ein Stückchen durch die Altstadt und verabschiedeten uns. Und dann ging es wieder schriftlich weiter, hin und her.

In den nächsten Wochen bis zum Jahreswechsel bauten Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski, mein Bruder und ich das Online-Blättchen. Es war eine schöne, euphorische Zeit. Es wurde gut. Die ersten Ausgaben wollte ich noch technisch betreuen und die Sache dann wieder ganz in die Hände der beiden Redakteure geben. Ich schickte einen zweiten Text und war stolz wie ein kleiner Junge, als Wolfgang Sabath ihn lobte. Ob ich nicht in die Redaktion eintreten wolle? Wir müssten uns mal wieder treffen und besprechen, wie es weitergehen solle.

Irgendwann im letzten Frühjahr blieben die E-Mails plötzlich aus. Nach einigen Tagen wurde Heinz Jakubowski unruhig und mir ging es genauso. Wolfgang Sabath musste ins Krankenhaus und konnte nie wieder auf seinen Platz beim »Blättchen« zurückkehren. Ich machte dann doch für ein paar Monate in der Redaktion mit, es war sehr schön, aber es war nicht wie vorher. Es war nicht mehr die alte Geschichte.

Am 6. März 2011 ist Wolfgang Sabath gestorben.

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